Eine Abstimmung im Stadtrat Weimar.
Der Stadtrat von Weimar Bildrechte: MDR/Cornelia Mauroner

Kommunalwahl Welche Macht hat ein Stadt- oder Gemeinderat?

16. Mai 2024, 12:08 Uhr

Am 26. Mai werden in Thüringen neben Bürgermeistern auch Stadt- und Gemeinderäte gewählt. Doch was kann ein Stadt- oder Gemeinderat eigentlich entscheiden?

Aktuelle Nachrichten des Mitteldeutschen Rundfunks finden Sie jederzeit bei mdr.de und in der MDR Aktuell-App.

Welche Aufgaben haben Städte und Gemeinden?

Die Städte und Gemeinden haben verschiedene Aufgaben: die sogenannten übertragenen Aufgaben und die eigenen Aufgaben.

Pflichtaufgaben der Gemeinden

Übertragene Aufgaben sind bestimmte öffentliche Aufgaben, die das Land an die Stadt oder Gemeinde überträgt. Dazu gehört beispielsweise, dass Einwohner in ihrer Stadt oder Gemeinde Pässe beantragen und diese dann auch vor Ort abholen können.

Auch die Bereitstellung von Kindergartenplätzen gehört dazu oder das Erstellen von Sterbeurkunden. Das alles sind Pflichtaufgaben. Für diese Aufgaben bekommt die Stadt oder Gemeinde extra Geld.

Eigene Aufgaben sind alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft, also Angelegenheiten, die die Stadt oder Gemeinde direkt betreffen. Dazu gehören etwa die Festsetzung der Gewerbesteuer und die Festlegung von Gebühren, aber auch Entscheidungen über Investitionen in öffentliche Projekte, Vereine, kulturelle Einrichtungen oder Sportstätten.

Wo ist geregelt, was die Stadt oder Gemeinde entscheiden darf?

Die Thüringer Kommunalordnung regelt die Aufgaben der Städte und Gemeinden. Dort steht: "Die Gemeinden sind Gebietskörperschaften mit dem Recht, die örtlichen Angelegenheiten in eigener Verantwortung im Rahmen der Gesetze zur Förderung des Wohls ihrer Einwohner zu verwalten." Das heißt, Gemeinden regeln Angelegenheiten, die die Gemeinde betrifft, selbst.

Was kann die Stadt oder Gemeinde selbst entscheiden?

Die Stadt oder Gemeinde kann über die eigenen Angelegenheiten selbst entscheiden, aber nicht über die übertragenen Aufgaben. So kann eine Stadt oder Gemeinde nicht entscheiden, dass sie etwa keine Pässe ausstellt. Aber sie kann beispielsweise entscheiden, ob sie ein Freibad betreibt oder nicht.

Städte und Gemeinden können entscheiden, wie sie ihre Gelder ausgeben. Dazu heißt es in der Thüringer Kommunalordnung: "Die Gemeinden haben das Recht, ihr Finanzwesen im Rahmen der Gesetze selbst zu regeln." Die Gemeinde beschließt also ihren eigenen Haushaltsplan sowie Investitions- und Baupläne.

Wer bestimmt in der Stadt oder Gemeinde darüber, was wie entschieden wird?

In den eigenen Angelegenheiten der Stadt oder Gemeinde entscheidet der Stadt- oder Gemeinderat, so schreibt es die Kommunalordnung vor: "Der Gemeinderat beschließt über die Aufgaben des eigenen Wirkungskreises der Gemeinde." Außerdem überwacht der Stadt- oder Gemeinderat die Ausführung seiner Beschlüsse.

Blick in eine Sitzung des Suhler Stadtrates. Mehrere Männer und Frauen sitzen paarweise an Schreibtischen.
Im Stadt- oder Gemeinderat engagieren sich Bürgerinnen und Bürger im eigenen Ort ehrenamtlich. (Archivfoto: Stadtrat Suhl) Bildrechte: MDR/Bert Weber

Was ist der Stadt- oder Gemeinderat?

Der Stadt- oder Gemeinderat ist "ein gewähltes Beschlussorgan aus Vertretern und Mitgliedern dieser Gemeinde", erklärt Sven Müller-Grune, Professor für Verwaltungsrecht an der Hochschule Schmalkalden. Der Stadt- oder Gemeinderat vertritt als die gewählte Vertretung der Bürgerinnen und Bürger in einer Gemeinde die Interessen der Bewohner.

Er besteht aus dem Bürgermeister und den gewählten Gemeinde- oder Stadtratsmitgliedern. "Sie verwalten die Gemeinde nach den Bestimmungen dieses Gesetzes", steht in der Kommunalordnung.

In den Gemeinderat kann man nur gewählt werden, wenn man auch in der Gemeinde lebt. Laut Kommunalordnung werden die Gemeinderatsmitglieder von den Bürgern in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl auf die Dauer von fünf Jahren gewählt.

Also alle Bürgerinnen und Bürger der Gemeinde ab 16 Jahren wählen die Gemeinderatsmitglieder in einer geheimen Direktwahl.

Die Gemeinderatsmitglieder arbeiten in ihrer Eigenschaft als Gemeinderatsmitglieder ehrenamtlich und sind nicht an Aufträge und Weisungen, etwa ihrer Parteien, gebunden. Sie sind dem Gemeinwohl innerhalb der Gemeinde verpflichtet.

Der Gemeinderat trifft sich einmal im Monat, um über die örtlichen Angelegenheiten zu bestimmen und zu beschließen.

Dürfen Städte und Gemeinden selbst Gesetze beschließen?

Die Stadt- oder Gemeinderäte erlassen keine Gesetze, sondern setzen die bestehenden Gesetze um. Doch: "Gemeinden verwalten sich selbst und dürfen sich deshalb auch Regelungen geben", sagt Sven Müller-Grune von der Hochschule Schmalkalden. Dieses Regelwerk nennt sich Satzung. Hier wird festgelegt, was in der Gemeinde umgesetzt wird und wie es umgesetzt wird.

Gemeinden verwalten sich selbst und dürfen sich deshalb auch Regelungen geben.

Sven Müller-Grune Professor für Verwaltungsrecht an der Hochschule Schmalkalden

Was genau die Gemeinde in dieser Satzung regeln darf, gibt der Landesgesetzgeber vor. Zum Beispiel können in einer Satzung Beiträge und Gebühren oder der Hebesatz für die Gewerbesteuer festgelegt werden.

Satzung legt fest, was umgesetzt wird

Durch die Satzung wird der Gemeindeverwaltung eine Grundlage in die Hand gegeben, um dem Bürger gegenüberzutreten. Sven Müller-Grune: "Ohne eine Satzung kann niemand gezwungen oder berechtigt werden, etwas zu tun, beispielsweise sich an die Entwässerung anzuschließen."

Welche Einflussmöglichkeiten hat ein Stadt- oder Gemeinderat?

Ein Stadt- oder Gemeinderat kümmert sich um Probleme und Aufgaben, die in der Stadt anfallen. Er bestimmt über die Verteilung von Geldern und über die Infrastruktur vor Ort. Er darf etwa entscheiden, ob es im Ort eine Bibliothek, Spielplätze, Sportplätze oder ein Schwimmbad gibt.

Schild weist zu einem Kindergarten
Plätze in Kindertageseinrichtungen vorzuhalten, ist eine Pflichtaufgabe der Städte und Gemeinden. Wie sie dies umsetzen, bleibt ihnen selbst überlassen. Bildrechte: imago images / photothek

Der Stadt- oder Gemeinderat darf über die Einrichtung eines Kindergartens oder die Preise des städtischen Wasserwerks entscheiden oder ob die Innenstadt für den Autoverkehr gesperrt wird. Zudem ist der Stadt- oder Gemeinderat für die gesundheitliche und soziale Betreuung zuständig.

Auch der kommunale Wohnungsbau liegt in der Hand eines Stadtrates. So hat etwa der Jenaer Stadtrat kürzlich beschlossen, bis 2035 fast 5.000 Wohnungen neu zu bauen.

Über kontroverse Entscheidungen wie den Bau von Windkraftanlagen wird ebenfalls in Gemeinderäten diskutiert. So will die Landgemeinde Kindelbrück im Kreis Sömmerda juristisch gegen einen geplanten Windpark vorgehen. Der Gemeinderat beauftragte Bürgermeister Roman Zachar, einen Anwalt einzuschalten.

Außerdem entscheidet ein Stadt- oder Gemeinderat über Freizeitanlagen wie Spaßbäder. So lehnte der Zeulenrodaer Stadtrat einen Zuschuss für das Waikikibad ab. Dieser sollte eine drohende Insolvenz der Stadtwerke Zeulenroda vermeiden. Nun bleibt das Bad vorerst geschlossen.

Auch große Vorhaben wie jüngst der Bau einer neuen Straßenbahnline in Erfurt, der bis zu 100 Millionen Euro kosten wird, werden von Stadt- und Gemeinderäten beschlossen.

Warum ist ein Stadt- oder Gemeinderat wichtig?

Alles, was für die Bürgerinnen und Bürger der Gemeinde wichtig ist, kann Thema im Gemeinderat sein. Es geht kurz gesagt um das Leben im Ort. "Das Gemeindewesen ist die Wurzel unserer Gesellschaft", sagt Professor Müller-Grune. Und in der Kommunalordnung steht: "Die Gemeinden bilden die Grundlage des demokratischen Staates."

Im Gemeinderat engagieren sich Bürgerinnen und Bürger im eigenen Ort. "Deswegen werden hier auch ganz andere Konstellationen gewählt als auf Landes- und Bundesebene", sagt Müller-Grune. "Da guckt man nach der Person, danach, ob sie der Gemeinde etwas bringt."

Mehr zur Kommunalpolitik in Thüringen

Nachrichten

Gemeinderatssitzung im Gemeinderat Albershausen mit Video
Viele MDRfragt-Mitglieder finden die Arbeit im Gemeinderat wichtig für ihr eigenes Leben. Sie fühlen sich jedoch über die Ergebnisse der Kommunalparlamente schlecht informiert. Bildrechte: imago/Horst Rudel

MDR (caf)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 12. Mai 2024 | 19:00 Uhr

15 Kommentare

Tom0815 vor 2 Wochen

@MAENNLEiN
Sie deuten also an, dass "Kräfte" bestrebt sein könnten unliebsame Bewerber wohnungslos zu machen um ihnen so gewisse Rechte zu entziehen?
Ich hab ja hier schon viel Schwachsinn gelesen, aber damit haben Sie es in meine persönliche Top10 geschafft. Hut ab!
Gibt's für solche "Gedankengänge" Foren/Gruppen o.ä. wo man gebrieft wird oder denken Sie sich sowas selbst aus?

In einer Diskussion die ich so nennen würde, würde ich jetzt nach Belegen für diese Behauptung fragen, aber ich fürchte das kann ich mir hier sparen.
Sie können mich aber gern überraschen und liefern... ;-)

DER Beobachter vor 2 Wochen

Bitte weiter auch in der Verfassung ebda., GG Art.20 weiterlesen: "... Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt."

Tschingis1 vor 2 Wochen

@MAENNLEiN-VON-DiESER-WELT
Auch Obdachlose oder anders gesagt, Nichtsesshafte können ihr aktives und passives Wahlrecht ausüben. Da sind zwar ein paar Voraussetzungen geknüpft, wie zeitlicher Aufenthalt in Thüringen/ Stadt/ Gemeinde sowie Antrag auf Aufnahme in das Wählerverzeichnis, aber es ist möglich.

Ich konnte jedenfalls keinen Ausschluss hinsichtlich Nichtsesshafter in der Kommunalordnung des Freistaates Thüringen finden.

Wahlen sind doch immer wieder sehr spannend.

Mehr aus Thüringen

Menschen auf dem Katholikentag 5 min
Bildrechte: Mitteldeutscher Rundfunk